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200059

(2009) Stationen, Dordrecht, Springer.

1922

Moritz Schlick in Wien

Massimo Ferrari

pp. 17-62

Die Berufung Moritz Schlicks nach Wien im Herbst 1922 darf berechtigterweise als ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte des Logischen Empirismus betrachtet werden. Schon in der beruhmten, 1929 veroffentlichten programmatischen Schrift des Wiener Kreises wird dieses Ereignis wie folgt kommentiert: Im Jahre 1922 wurde Moritz Schlick von Kiel nach Wien berufen. Seine Wirksamkeit fügte sich gut in die geschichtliche Entwicklung der Wiener wissenschaftlichen Atmosphare. Er, selbst ursprünglich Physiker, erweckte die Tradition zu neuem Leben, die von Mach und Boltzmann begonnen und von dem antimetaphysisch gerichteten Adolf Stohr in gewissem Sinne weiter gefuhrt worden war [...] Um Schlick sammelte sich im Laufe der Jahre ein Kreis, der die verschiedenen Bestrebungen in der Richtung wissenschaftlicher Weltauffassung vereinigte "2. Sowohl die späteren Memoiren einiger Vertreter des Wiener Kreises als auch die philosophische Geschichtsschreibung seit den 50er Jahren haben ubrigens die gleichsam epochemachende Bedeutung der Berufung Schlicks an die Wiener Universität immer wieder in den Vordergrund geruckt. Es geht tatsächlich um eine Wende nicht nur in seiner intellektuellen Biographie, sondern auch in der Entwicklung der philosophischen Ansichten, die (um Alberto Co®a zu zitieren) auf dem "Wiener Bahnhof" entstanden sind. Philipp Frank, Edgar Zilsel, Herbert Feigl, Karl Menger, Rudolf Carnap haben uns Diesbez üglich wertvolle Zeugnisse hinterlassen, die einerseits auf die akademische Tätigkeit Schlicks aufmerksam machen und andererseits die entscheidende Wirkung betonen, die seine Schriften auf die künftigen Mitglieder des Wiener Kreises aus übten3. Eminente Forscher wie Victor Kraft, Francesco Barone und neuerdings Friedrich Stadler haben dann wiederum die grundlegende Rolle hervorgehoben, die der Begegnung Schlicks mit dem Wiener Milieu zugesprochen werden soll; und insbesondere durch die Forschungsergebnisse Stadlers ist der kulturelle Hintergrund der Berufung Schlicks aufgekl ärt worden, namentlich der Widerstand ihm gegenüber von Seite der traditionellen akademischen Körperschaft, die Schlick für mehr naturwissenschaftlich als echt philosophisch eingestellt hielt4.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-211-71581-9_1

Full citation:

Ferrari, M. (2009)., 1922: Moritz Schlick in Wien, in F. Stadler, H. J. . Wendel & E. Glassner (Hrsg.), Stationen, Dordrecht, Springer, pp. 17-62.

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