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220469

(2001) Politische Theorien der Gegenwart II, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Die Politische Theorie des Pragmatismus

Richard Rorty

Thomas Noetzel

pp. 225-251

Der Pragmatismus entwickelt sich im 19. Jahrhundert als Kritik an einer Philosophie, die erhebliche Begründungsprobleme im Umgang mit essentialistischen Begriffen wie "Wesen", "Erscheinung", "Natur", "Ich", "Freiheit", "Erkenntnis' etc. hat und die durch die erfolgreiche Differenzierung des Wissenschaftsbetriebs in zahlreiche leistungsfähige Einzelwissenschaften als Einheitswissenschaft unter Legitimationsdruck gerät. Der Pragmatismus will das Vokabular der Philosophie von Repräsentation auf Nützlichkeit umstellen. Die sprachanalytische Philosophie der zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts knüpft an diesen Skeptizismus an und versucht nun angesichts der kategorialen Unklarheiten, die Philosophie als akademische Disziplin zu rehabilitieren, indem sie sie auf ein tragfähiges linguistisches Fundament stellt. Die Unterscheidungen zwischen "analytischen" und 'synthetischen" Urteilen, zwischen "Idealsprache" und "Alltagssprache" drücken dabei die Vorstellung aus, daß die Angemessenheit von Sprache an der Erfüllung der ihr zugeschriebenen Funktion der Repräsentation von außersprachlicher Wirklichkeit bzw. ihrer inhärenten Logik überprüft werden könnte. Dafür soll ein Regelwerk der diese Ziele erreichenden Sprachspiele erarbeitet werden. Die traditionelle Sprache der traditionellen Philosophie wird gerade wegen ihrer Unfähigkeit kritisiert, empirischer und logischer Überprüfung standhalten zu können, womit die analytische Philosophie das Erbe der vorlinguistischen Philosophie antritt. Als klassische Philosophie der Erkenntnis — gerade auch in ihren linguistisch informierten Varianten — hält sie sich innerhalb dieses Projekts für die Königsdisziplin, weil sie die Kategorien der Unterscheidung zwischen wirklichkeitsadäquaten und nicht adäquaten Urteilen liefern zu können glaubt. Dabei verweist sie nicht auf bestimmte wissenschaftlich-pragmatische Konventionen, sondern behauptet, es gäbe unabhängig von konkreten Beobachtungspositionen und Rechtfertigungskontexten eine Möglichkeit der Formulierung wahrer Aussagen. Die sprachanalytische Philosophie hat diesen Wahrheitsoptimismus durch ihren eigenen Hinweis auf die Notwendigkeit der sprachlichen Fassung aller Wirklichkeitskontakte der Beobachter jedoch unter erheblichen Begründungsdruck gesetzt. Zwischen Subjekt und Objekt liegt immer ein System von Zeichen, das erst diese Verbindung der Individuen in ihre Innen- und Außenwelt kommunikabel macht, ja überhaupt erst konstruiert. Diese Ebene der sprachlichen Zeichen ist unhintergehbar. Allenfalls ästhetisch mag es eine nicht-sprachliche Erfahrungskonstitution geben.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-663-12320-0_8

Full citation:

Noetzel, T. (2001)., Die Politische Theorie des Pragmatismus: Richard Rorty, in A. Brodocz & G. S. Schaal (Hrsg.), Politische Theorien der Gegenwart II, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 225-251.

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