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218916

(1990) Der Lebenssinn der Industriegesellschaft, Dordrecht, Springer.

Die ökologische Krise relativiert nicht, was uns in der modernen Zivilisation sonst noch bedrängt

Hermann Lübbe

pp. 127-132

Die ökologischen Folgeprobleme des Industrialisierungsprozesses, von denen ja bislang noch nicht die Rede war, sind unzweifelhaft die mit Abstand gewichtigsten in der langen Reihe von Problemen, unter deren Druck unsere Einstellung zu unseren wissenschaftlich-technischen Lebensgrundlagen gegenwärtig sich wandelt. Wer aus dem Blickpunkt dieser ökologischen Probleme sich die bislang behandelten Folgeprobleme des Zivilisationsprozesses vergegenwärtigt, mag finden, sie seien doch eher von vernachlässigungsfähig geringer Größenordnung. Wen bewegt denn schon der kulturelle Bedeutsamkeitsverlust wissenschaftlicher Weltbilder? Werden die skizzierten Erfahrungsverluste von Medienkonsumenten, die sich doch wohlinformiert finden, als Orientierungsproblem überhaupt wahrgenommen? Wen drückt der Bestand, der oben mit dem leicht drollig wirkenden Neologismus "Gegenwartsschrumpfung" gekennzeichnet wurde? Sind die angedeuteten Erfahrungen einer Überforderung unseres historischen Sinns durch die hohe Änderungsdynamik unserer Zivilisation nicht viel zu subtil, als daß sie über Intellektuelle, die sich professionell mit Problemen der Vergangenheitsvergegenwärtigung herumzuschlagen haben, irgend jemanden bedrängen könnte? Würde es insofern nicht genügen, in der Reihe der Gründe zunehmender emotionaler Distanz im Verhältnis zu unseren wissenschaftlich-technischen Lebensgrundlagen auf unsere Erfahrungen mit der ökologischen Krise zu verweisen? Die Antwort scheint mir zu lauten: Es wäre eine Verharmlosung unserer Lage, wenn wir in unserer Bedrängnis durch die Herausforderungen der ökologischen Krise unseren Sinn für andere und zusätzliche industriegesellschaftliche Krisenerscheinungen verschlössen.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-642-97265-2_11

Full citation:

Lübbe, H. (1990). Die ökologische Krise relativiert nicht, was uns in der modernen Zivilisation sonst noch bedrängt, in Der Lebenssinn der Industriegesellschaft, Dordrecht, Springer, pp. 127-132.

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